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Die PR-Agentur Farner
Hintergründe zum "Das Verhör von Harry Wind" von Walter Matthias Diggelmann 19. November 2011 mit Unterstützung des Zürcher Soziologen Daniel Sauter |
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Im Kommentar von letzter Woche wurde auf den Roman "Das Verhör von Harry Wind" von Walter Matthias Diggelmann hingewiesen. Es wurde dabei angemerkt, dass Diggelmann sich mit "Harry Wind" auf das reell existente PR-Büro "Büro Farner" (geleitet von Oberst Rudolf Farner) bezog. Rudolf Farner gab "Harry Wind". | |||||
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Zur PR-Agentur Farner und insbesondere zu deren Gründer und langjährigem Chef Oberst Rudolf Farner existiert ein informativer Artikel von Constantin Seibt vom 25.11.2009 (inklusive Foto von Rudolf Farner). Es war Rudolf Farner (1917-1984), der die PR-Methoden 1950 aus den USA in die Schweiz einführte, wobei im Vordergrund das verdeckte Polit-Lobbying stand (auch dieses wird von Diggelmann romanhaft genau nachvollzogen). Die PR-Agentur Farner - damals noch nicht unter diesem Namen - wurde 1951 gegründet. Die Agentur half und hilft mittels Pressekampagnen, Leserbriefaktionen, Anschwärzung politischer Gegner, Manipulationen von Aussagen usw. dabei, bestimmte politische Ziele durchzusetzen, und wird von den diese Ziele anvisierenden Politikern dafür grosszügig honoriert, wobei die zahlenden Politiker von den durchgesetzten Zielen - z.B. Kauf neuer Flugzeuge - ihrerseits wiederum mächtig profitieren. |
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Artikel von
Constantin Seibt Die Macht der PR-Agentur Farner In: Der Bund (analog auch im Tages-Anzeiger) Link zum Artikel |
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Im Artikel von Constantin Seibt heisst es: "(Farners) originaler Geniestreich war die Gründung zahlreicher Vereine: Farner gründete und betreute den «Verein zur Förderung der Wehrwissenschaft und Wehrbereitschaft» plus zwei weitere Militärvereine, dann «Freiheit und Verantwortung», «Jugend und Energie», «Energieforum Nordwestschweiz». Es waren Verbände für Entscheidungsträger, vollgepackt mit Politikern und Funktionären, ideale Tarnabsender für Werbung und Lobbying-Gruppen gleichzeitig." (Seibt, im oben angeführten Artikel) Mit Hilfe dieser die Schweiz von rechts unterwandernden Vereine beschwor Farner das Bild der kommunistisch unterwanderten Schweiz (es wurden zu jenen Zeiten bekanntlich rund zehn Prozent der schweizerischen Bevölkerung bespitzelt). Von Bedeutung ist ebenfalls der von Seibt in seinem Artikel erwähnte Partner von Rudolf Farner, Gustav Däniker jun. Gustav Däniker jun. führte in Diggelmanns Roman zur Figur des "Julius", der rechten Hand von Harry Wind. Diggelmann schildert detailliert, wie Harry Wind vor Einstellung dieses Julius dessen Biographie durchleuchtet und ihn aufgrund dieser Biographie auch einstellt. Der Vater von Julius, ein hoher Militär, hatte - gemäss Roman - seiner Zeit Kontakte zu den Nazis und forderte zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in einem Memorandum, die Schweiz solle sich Nazideutschland anschliessen. Aufgrund dieses Memorandums wurde der Vater von Julius unehrenhaft aus der Armee entlassen. Er verkraftete diese Schmach nicht und erschoss sich nach Ende des Kriegs. Diese Geschichte von Julius' Vater ist der realen Geschichte des Vaters von Gustav Däniker jun., nämlich Gustav Däniker sen. (1896 - 1947) nachgebildet. Zu Gustav Däniker sen., ab 1940 Generalstabsoffizier im Armeestab, lässt sich im Internet-Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich die folgende Beschreibung finden: "Däniker gehörte zum Offizierskreis um Oberstkorpskommandant Ulrich Wille, der in Opposition zu General Henri Guisan stand. 30.4.-10.5.1941 privater Aufenthalt in Berlin; nach seiner Rückkehr Abfassung der "Denkschrift über Feststellungen und Eindrücke anlässlich eines Aufenthaltes in Deutschland", worin er für die Anpassung der Schweiz an das "Neue Europa" eintrat; die Schrift war nicht für eine breite Öffentlichkeit bestimmt, sondern in erster Linie für das Armeekommando, den Bundesrat und ausgewählte Beamte, fand jedoch bald eine unkontrollierte Verbreitung; Oktober 1941 Suspendierung und Ende der Tätigkeit als Berufsoffizier; Einleitung einer administrativen Untersuchung wegen Amtspflichtverletzung und Verhängung einer disziplinarischen Arreststrafe von 15 Tagen durch General Guisan. 1942 Ausscheiden aus dem Bundesdienst infolge Nichtwiederwahl. 1942-1947 Waffenexperte bei der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon-Bührle. International bekannter Militärpublizist und Spezialist für Ballistik. Gest. in Kilchberg (ZH)." (In: Internet-Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich: Link zum Artikel :hier bei Däniker sen. anklicken). Gustav Däniker sen. erschoss sich 1947. Gustav Däniker jun. (1928-2000) wurde - so ist auch im Artikel von Seibt nachzulesen - Partner von Rudolf Farner respektive Agenturleiter. Indem auch Däniker jun. im Militär rasch Karriere gemacht hatte, konnte er für Farner beste Kontakte zum Militär herstellen. Zu Gustav Däniker jun. findet sich im Internet-Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich die folgende Beschreibung: "1948-1954 Studium der Geschichte und Germanistik an der Universität Zürich, 1954 Promotion; 1954/55 Postgraduate-Kurs am Benedetto-Croce-Institut in Neapel. 1956 Redaktor, 1959 Direktor, 1972 Delegierter und Partner, 1989-1999 Verwaltungsratspräsident, danach Ehrenpräsident der PR-Agentur Rudolf Farner in Zürich. Militärische und militärpublizistische Laufbahn: 1957 Hauptmann, 1962 Generalstabsoffizier, 1967 Major. Mit seiner 1966 erschienenen Publikation "Strategie des Kleinstaates" profilierte sich Däniker als pointierter Befürworter einer schweizerischen Atombewaffnung." (In: Internet-Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich: siehe Link zum Artikel). Seibt schreibt zu Gustav Däniker jun.: "Däniker arbeitete als Publizist, schrieb Denkschriften, entwarf den stachelbewehrten Armeepavillon für die Expo 64, gewann mit Farner die Abstimmung gegen ein Atomwaffenverbot und skizzierte das Atomprogramm zur Abwendung der «atomaren Impotenz». Bald aber war Dänikers Traum Geschichte: Die neuen Mirage, also das Flugzeug, das die Atombombe bis nach Moskau tragen sollte, war derart teuer gekauft worden, dass in einem wilden Skandal Fliegerchef, Armeechef und Bundesrat gehen mussten. Damit war der Mut weg und alle Atompläne Altpapier." (Seibt, im oben angeführten Artikel) Zu Zeiten Rudolf Farners war die FDP politisch noch einiges mächtiger als heute, und entsprechend war Farner PR vor allem mit FDP-Politikern verbandelt. Eine zentrale Figur der FDP war damals Ulrich Bremi, 1969 bis 1973 Präsident der FDP-Fraktion im Zürcher Kantonsrat und ab 1975 bis 1991 Nationalrat. Hierzu schreibt Seibt: "Die Agentur Farner war Jahrzehnte im Zentrum der Macht: Farner sass im Brumskreis, getauft nach dem Chef der Zürcher FDP, Ulrich Bremi, dessen Pfadfindername Brums war. Er wurde Zunftmeister als Nachfolger seines guten Kunden Richard Sprüngli." (Seibt, im oben angeführten Artikel) Farner PR blieb seinem Geschäft des manipulativen Politlobbying auch nach dem Tod von Rudolf Farner 1984 treu. Selbstredend dürften die meisten der manipulativen Aktionen unentdeckt geblieben sein. Aber Ende 2009 kam beispielsweise aus, dass Farner im Juni dieses Jahres versuchte, die GSoA (Gruppe Schweiz ohne Armee) auszuspionieren: "(Farner PR) schickten im Juni (Juni 2009, kw) eine Politologin als verdeckte Ermittlerin auf ein Strategiewochenende der Armeegegnergruppe GSoA zur Rüstungsausfuhr-Initiative. Die Farner-Frau log, sie wolle eine Seminararbeit schreiben, stellte aber so viele Expertenfragen, dass jemand Verdacht schöpfte. Im August erwischte ein Reporter der «Wochenzeitung» (WOZ) den Freund der Frau vor der Haustür. Der plauderte: Seine Freundin sei von Farner leider «schlecht gebrieft» worden. Sie habe den Auftrag nur mitgemacht, weil Jobs für Politologinnen so selten seien." (Seibt, im oben angeführten Artikel) Die GSoA selber schreibt zu Farner PR: "Seit Jahren ist Farner PR für die Kampagnen der Schweizer Rüstungsindustrie zuständig. Dabei greift die Firma immer wieder auf fragwürdige Methoden zurück. So versteckt sie sich regelmässig hinter politischen Pseudo-Organisationen, statt ihre Mandate offenzulegen. Ein solches Farner-Konstrukt ist etwa der «Arbeitskreis Sicherheit und Wehrtechnik» ASUW, der zum Zeitpunkt der Lancierung der Initiative «Für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten» gegründet wurde und nun auch in der Abstimmungskampagne eine zentrale Rolle spielen soll. Präsident des ASUW ist CVP-Ständerat Bruno Frick, als Vizepräsidentin amtet die FDP-Nationalrätin Sylvie Perrinjaquet. Geschäftsführer von ASUW ist der Farner PR-Mann Andreas Richner. Auch die Internetdomain von ASUW ist auf die Firma Farner registriert." (GSoA Online, vom 31.10.2009: "Von Schnüffelratten und PR-Spitzeln", von Chrigi Hug: Link zum Artikel) Beim Zustandekommen des jüngsten Entscheids des schweizerischen Parlaments für eine grössere Armee sowie der Anschaffung neuer Kampfflugzeuge (in Zukunft soll die Schweizer Armee 5 Mia. Franken kosten, 1 Mia. mehr als heute) mischte PR Farner offenbar vermittels eines Armeebeirats des Militärdepartements ebenfalls kräftig mit. In einem Interview in der Wochenzeitung WOZ wurde es von Jo Lang folgendermassen umschrieben: "Die Wende in der Armeedebatte geschah im Frühling 2011. Herbeigeführt wurde sie durch verschiedene Beziehungsnetze, im Besonderen durch das PR-Büro Farner mit CVP-Ständerat Bruno Frick als Speerspitze und durch das Unternehmerforum Lilienberg mit SVP-Nationalrat Bruno Zuppiger. Hinzu kamen die Schweizerische Offiziersgesellschaft und die Gruppe Giardino, eine militärische Milizorganisation. (...) Das Militärdepartement hat (...) einen Beirat geschaffen, der ein erweiterter Stammtisch der helvetischen Tea Party ist. Damit meine ich etwa Farner PR und das Unternehmerforum Lilienberg, die einen militärpatriotischen Konservativismus mit knallharten Rüstungsinteressen verbinden. (...) Das PR-Büro Farner ist als Firma natürlich nicht direkt vertreten. Aber es verfügt über Arbeitsgemeinschaften und andere Vereine, die von ihm geführt werden – und denen Parlamentarier angehören. Und zwei dieser Vereine sind in diesem Beirat vertreten." (Jo Lang in: WOZ Online vom 6.10.2011: "Wie müssen jetzt den SVP-Sitz angreifen", Interview von Carlos Hanimann mit Jo Lang: Link zum Artikel) Wie verschachtelt die Einflussnahme von Farner PR sein kann, zeigte ein Vorgang aus dem Aargauer Grossrat aus dem Jahr 2009, über den die Aargauer Zeitung folgendermassen berichtete: "Im Verein Espace.mobilité haben sich Coop, Migros, Maus Frères, Ikea, Möbel Pfister und der Verband der Immobilien-Investoren zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, die sich für liberale (sprich: neoliberale, kw) Bauordnungen einsetzt und zum Beispiel gegen Parkplatzrestriktionen bei Einkaufszentren kämpft. Espace.mobilité hat auch die Entstehung des Aargauer Baugesetzes mit Argusaugen verfolgt. Massgebenden Einfluss auf das Schicksal der Vorlage im Kantonsparlament hatte FDP-Fraktionschef Daniel Heller: Auf seinen Rückkommensantrag in letzter Minute hin wurde die so genannte Mehrwertabgabe wieder aus dem Baugesetz gekippt. (...) Das ist ebenso bekannt wie der Umstand, dass Daniel Heller beruflich als Partner der Zürcher PR-Agentur Farner tätig ist. Was die Öffentlichkeit nicht wusste: Farner PR hatte und hat von Espace.mobilité ein Mandat zur Begleitung der Aargauer Baugesetzrevision. Der MZ liegen Protokolle von Espace.mobilité-Sitzungen vor, die das dokumentieren. «Am 15. Januar 2009 fand eine weitere Aussprache mit Farner PR statt, an der die Strategie für die zweite Lesung (der Baugesetzrevision) im Grossen Rat besprochen wurde», heisst es darin. Und in einem weiteren Protokoll: «Durch ein geschicktes Taktieren von Heller als FDP-Fraktionspräsident konnte ein Totalabsturz . . . auf dem Zielstrich verhindert werden.» Man zeigte sich offenbar so zufrieden mit der geleisteten Arbeit, dass das damit abgelaufene Mandat für die Monate Mai bis September mit einem Auftragsvolumen von 14 000 Franken erneuert wurde." (In: Aargauer Zeitung Online vom 26.8.2009: "In heikler PR-Mission unterwegs", von Urs Moser, siehe Link zum Artikel) Derselbe Aargauer FDP-Fraktionschef Daniel Heller ist gleichzeitig auch als Atom-Lobbyist tätig. Auch hier dürfte er dies wesentlich im Auftrag respektive Zusammenarbeit mit Farner PR tun. In der Basler Zeitung findet sich die folgende Erläuterung: "Heller präsidiert das nach wie vor atomfreundliche Energieforum Nordwestschweiz. Als Zweck steht auf der Website: die Abdeckung des «erhöhten Informationsbedarfs bei Politikerinnen und Politikern sowie Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern» in Energiefragen. Was nach einer unabhängigen Organisation klingt, ist keine. Erreichbar ist das Forum einzig über eine E-Mail-Adresse und über ein Postfach in Zürich. «Das Sekretariat des Energieforums wird von Farner geführt», bestätigt Heller TA-Recherchen. Das Budget will er nicht verraten, aber er räumt ein: «Das Forum wird durch Spenden finanziert, die unter anderem aus der Elektrizitätswirtschaft stammen.»" (In: Tages-Anzeiger Online vom 7.7.2011: "Und er hat Leuthard doch mit Palin verglichen", von Thomas Knellwolf: Link zum Artikel) Farner PR kämpft heute für die Atomenergie wie damals Rudolf Farner für die Einführung von Atomwaffen, die mit der Mirage dann nach Russland getragen werden sollten. Im Zusammenhang mit dem Parlamentsentschluss zum Kauf neuer Kampfjets veröffentlichte die GSoA in diesen Tagen eine Aufstellung zum "Netzwerk der Rüstungslobbyisten" (Vgl. GSoA-Zitig November 2011 Nr. 148, vgl. Online: hier): Farner PR ist sich in den letzten sechzig Jahren treu geblieben. Es läuft im Grunde immer noch so, wie von Diggelmann 1962 in "Harry Wind" beschrieben. |
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